Bouldern in Norwegen
Vorstellung vier norwegischer Boulderziele, Tips für den Trip und Topos
Bilder – Axel Perschmann, Jochen Perschmann, Tom Thudium
Rund 25 tausend Kilometer Küstengesamtlänge, die größtenteils aus dem vom Wasser und Gletschern bearbeiteten Granit besteht, kühle Bedingungen in den Sommermonaten und sehr lange Tage machen Norwegen zum Top Sommerboulderziel Europas. Bereits vor zwei Jahren zeigten Kuutti Huhtikorpi und Nalle Hukaktaival in einem Video einige der besten Linien Norwegens in Vingsand, Harbak und den Lofoten.
Letzten August und September war ich dann mit dem DAV Felskader-Team zum Routen- und Bouldererschließen selbst vor Ort. Entstanden sind, neben zahlreichen Wiederholungen und einigen Erstbegehungen in bestehenden Gebieten, auch zwei völlig neue Gebiete. Die zugehörigen Topos und wichtigsten Infos für den kommenden Trip im nächsten Sommer habe ich nun hier für euch zusammengetragen.
Harbak
Beginnt man seinen Norwegentrip am Flughafen in Trondheim, so ist dieses Boulderkleinod der ideale Start.
Vom Parkplatz sind es nur wenige hundert Meter zu den Blöcken, welche alle sehr nah beieinander liegen. In allen Graden gibt es top Boulder, meist athletisch und dennoch mit trickreichen Topouts an frei stehenden, orange- grau gestreiften Gneisblöcken. Vor allem die Linien an den beiden Hauptblöcken, „Shark“ (7B+), „Strafen“ (7C) und „Focus“ (8A+) sind absolute Highlights.
Vingsand
Ethan Pringle schreibt in seinem Blog über Vingsand:
„Vingsand is probably Norway’s best bouldering area (even though climbers from Trømso swear that the bouldering up there is even better, as do the climbers in Stavanger think their rocks are the best…). Vingsand is fairly condensed, the rock quality is superb, the lines are obvious and long or tall and the views are spectacular. You can see the ocean from almost any problem in the area, and the ocean is shockingly beautiful.“
Nach nur zwei kurzen Tagen, die ich in Vingsand verbracht habe, kann ich Ethans Meinung über Vingsand absolut bestätigen. Der „Diamond“ (8B), einer der vielleicht besten und spektakulärsten Granitblöcke, die ich jemals gesehen und versucht habe, steht hier. Und auch der Spot „Langveggen“, ein 50° steiles, 15 Meter breites und 7 Meter ausladendes Boulderdach mit perfekten, sandsteinartig verwitterten, orangenen und schwarzen Griffstrukturen könnte nicht perfekter sein.
Allerdings gibt es für dieses Gebiet noch kein Topo, die „Block- Epizentren“ sind weit verstreut und die Einheimischen teilweise der Bouldererspezies weniger wohl gesonnen. Größtmögliche Zurückhaltung beim Campen als auch am Block ist daher angesagt.
Kunna/ Forstranda
Eine Autostunde südwestlich des Städtchens Bodo befindet sich, mit Blick auf zwei malerische Buchten gelegen, das kleine Bouldergebiet Kunna. Die hellen, grau-braunen Graniteier haben meist rund verwitterte Ausstiege, daher erinnert alles zunächst ein wenig an Bas Cuvier in Fontainebleau. Tatsächlich wird hier hauptsächlich an Leisten und Slopern geklettert, oft technisch, weniger steil und mit meist nicht geschenkten Topouts. Sehr zu empfehlen sind die Klassiker Fizze risset (7A+), Den til venstre (7C) sowie die jüngste Erstbegehung des Gebiets „Birne og Schnuck“ (8A+), welches im Pdf-Topo als offenes Projekt aufgeführt war und ich nach drei Tagen Arbeit zusammenhängen konnte.
Forstranda
Unweit von Kunna gelangt man, durch einen schmalen Stollen mit dem Auto, auf eine von der NATO militärisch genutzte Halbinsel nach Forstranda. Eigentlich wollten wir hier eine 40 Meter hohe Grotte zum Sportklettern erschließen. Doch der, im kleinen Häuschen unterhalb des Felsens ansässige Metzger, dem einige Finger fehlen, war alles andere als erfreut über unser Dasein. Und bei näherer Betrachtung offenbarte sich die Grotte als der letzte Bruchhaufen. Somit fiel der Entschluss sehr leicht, dort keine weiteren Haken zu verschwenden.
Eher zufällig entdeckte Tom, aus dem fahrenden Bus direkt am Strand, ein paar schwarze, von weißen Quarzstrukturen durchzogene, abgewaschene Blöcke. Noch am selben Tag entstand hier der, nach unserem „Freund“ dem Metzger benannte, „Butchers Bay“.

Paul Nothdurft bei der Erstbegehung der genialen Linie „Green Scream“ (7C) in Forstranda – Bild – Axel Perschmann
Paul konnte hier zwei geniale Linien erstbegehen: „Green Sceam“ (7C): Eine beeindruckende, hohe Grotte mit sehr athletischen Zügen an, vom Meer abgewaschenen, Strukturen. Und das perfekte, 30 Grad steile Schild, „Fisherman’s Friend“ (7B+), welchem ich noch den logischen Sitzstart (8A) anfügen konnte. Den brachialen Schulterspanner vom Boden konnte ich genau ein einziges mal klettern. Abends bekam ich dann die Rechnung in Form von höllischen Rückenschmerzen zu spüren und eine „Ibu 800“ als „Betthupferl“.
Neben dem „Butchers Bay“ konnten wir noch zwei weitere Sektoren erschließen:
Am „Urmelstrand“ gibt es vor allem leichtere Boulder in den unteren Graden bis 7A+ an stark gebändertem, orangenem Gneis, dazu viel Sonne und ein grandioser Blick aufs offene Meer.
Die „Natobase“, direkt neben dem weitläufig eingezäunten und von zahlreichen „Forbud- Schildern“ umgebenen Strand. Hier hat vor allem Miri viel erschlossen, wie den abgefahrenen Sloperboulder „Verkehrte Welt“. Axel konnte zudem noch die Top Linie „Jagdbomber“ (7C+) befreien, welche eine der zähesten Streckbänke darstellt, die ich je geklettert bin.

Maximale Streckung bei der ersten Wiederholung von „Jagdbomber“ (7C+) in Forstranda – Bild – Axel Perschmann
Lofoten
Die langgezogene Inselkette der Lofoten nördlich des Polarkreises sind nicht nur landschaftlich ein absolutes Highlight. Seit Jahren sind die steil ins Meer abfallnden Granitwände eines der Topziele der traditionell ambitionierten Helm- und Klemmkeilfraktion. Doch auch für Boulderer gibt es hier einige der norwegischen Toplinien zu wiederholen und noch viel Potenzial zum Erschließen.
Ramberg
Wenige hundert Meter vom Fischerdorf Ramberg entfernt, haben wir einen auffällig großen Felssturz begutachtet, welcher sich als hervorragend zum Bouldern herausstellte. Vor allem in den höheren Graden lässt der hellgraue, mit feiner Reibung und Basaltartigen, schwarzen Strukturen versehene Granit noch zahlreiche Erstbegehungen zu. Zwei der Top Linien, ein sehr athletisches Dach und ein sechs Meter hohes Schild, konnten wir aufgrund mangelnder Zeit und sehr schlechtem Wetter leider nicht mehr erstbegehen. Doch mit den Top Linien „Nail Fail“ (7b+) einem leicht überhängenden Schild mit abschüssigen Leisten und guten Toehooks von Paul Nothdurft, dem perfekten Bug „The Good Morning Shit“ (7c+) und die Dachkompressionskletterei „The bloody Cross“ (8A), (beide von mir), konnten wir dennoch bleibende Spuren für kommende Bouldercrews hinterlassen.
Stem Bastensen
Auch einen Besuch wert ist das Gebiet „Stem Bastensen“. Wie überall auf den Lofoten gibt es hier zwar nur wenige, aber dafür umso bessere Boulder.
Axel konnte bei unserem eintägigen Aufenthalt den wunderschönen 7C+ Bug „Tare Baby“ wiederholen, und mir gelang in wenigen Versuchen die zweite Wiederholung von Robin Mjelles „Springflo“ (8B). Das war der erste 8B- Boulder, den ich an einem Tag klettern konnte und wurde somit auch ein kleines Highlight des Trips.
Landezone und Absicherung
Vor allem im neuen Gebiet Forsranda, mit dessen Hauptsektor „Butchers Bay“, ist die Landezone wegen der stark verblockten Küste extrem schlecht. Aufgrund kontinuierlich wechselder Gezeiten sind die Steine von nassen Algen überzogen und glatt. Unter drei Crashpads ist keine der Top Linien kletterbar. Je mehr Crashpads vorhanden sind, desto besser und sicherer.
Harbak und Kunna hingegen haben oft sehr gutes, ebenes und von Gras bedecktes Absprunggelände. Hier sind deutlich weniger Pads nötig und man kommt mit ein bis zwei Stück gut zurecht. In Vingsand und auf den Lofoten benötigt man eher mehr Pads, da es meistens unter den Blöcken sehr steinig ist und die Boulder teilweise Traversencharakter haben, also recht lang sind.
Vor allem in Harbak ist der Untergrund etwas sumpfig. Eine Plane hat sich sehr bewehrt, will man die Crahpads nicht direkt in den Matsch werfen.
Übernachtung, Jedermannsrecht
In Norwegen gilt das Jedermannsrecht. Überall darf, außer Sichtweite von Gebäuden, kampiert werden. Selbstverständlich ist wie immer Zurückhaltung geboten und die Plätze sind wieder, wie vorgefunden oder sauberer, zu verlassen.
Regenschutz und nasse Socken
In den Sommermonaten kann es auch mal mehrere Tage in Folge regnen. Damit sich auch mal solche Regenperioden aushalten lassen, sollte man entweder ein geräumigeres Zelt oder eine große Plane mit nehmen, unter der man Kochen und auf besseres Wetter warten kann.
Möglichst viele Paar Schuhe zum wechseln und Gummistiefel, oder schnell trocknende Crocs sind beim Camping im sumpfigen Norwegen ebenfalls ein absolutes Muss!
Stechviecher und Moskitos
Da sich das Wasser oft hinter den, von Gletschern abgeschliffenen, Granitbänken sammelt, gibt es in Norwegen zahlreiche Seen und Sümpfe. Entsprechend wimmelt es an manchen Tagen nur so von Stechmücken aller Art. Man sollte genügend Mückenschutz wie Antibrumm oder Autan mitbringen. Auch ein großes Moskitonetz unter dem man gemeinsam und bequem kochen kann, steigert die Wohnqualität erheblich.
Einkaufen, Essen und Trinken
Lebensmittel sind in Norwegen sehr teuer. Die Preise toppen sogar die der Schweiz. Es gibt aber zu den meisten Grundnahrungsmittel günstige Angebote und die Preise sind sehr verbraucherfreundlich und gut lesbar in Preis/Gewichtseinheit angegeben, was den direkten Preisvergleich und somit „günstiges“ Einkaufen vereinfacht.
Am besten, man nimmt so viel wie erlaubt ist, von Deutschland mit. Dabei muss man natürlich die Einfuhrbeschränkungen beachten.
Alkoholisches
Unseren Klassiker an regnerischen Abenden war, sich die Zeit mit dem Genuss von Kaba mit Rum genehmer zu gestalten. Die dafür essenzielle Flasche „Captain Morgan“ haben wir uns zünftige 45€ im norwegischen Alkoholfachhandel kosten lassen.
Allgemein sind die Preise für Alkoholische Getränke mit hohen Steueranteilen um ein vielfaches höher als in Deutschland. Man sollte daher bereits bei der Anfahrt daran denken, das volle Wein- und Bierpensum, welches von den Zollbestimmungen pro Kopf erlaubt ist (oder noch mehr 🙂 zu nutzen.
Fisch, Pilze und Beeren
An der Küste Norwegens ist es überall erlaubt, ohne Lizenz zur Selbstversorgung zu angeln.
Daher bietet es sich für Feinschmecker an, eine Angel und ein paar Köder mit zu nehmen. Am besten alles in solider Ausführung und entsprechend groß, denn in den Fjorden Norwegens schwimmen masseweise Fische allen Kalibers. Man sollte sich aber etwas Fachwissen vor dem Urlaub angeeignet haben. Wenn man, wie wir, mit der Materie des Angelsports nur peripher vertraut sein sollte, kann man sich auch bei Einheimischen informieren. Verraten diese die Plätze, was darin schwimmt, die Wahl der Köder und Fangtiefe, steht dem abendlichen Grillabend nichts mehr im Wege.
In den ausgedehnten Wäldern abseits der Küste lassen sich Steinpilze und Pfifferlinge regelrecht ernten. Daher lohnt es sich, ein Pilzbestimmungsbuch mit zu nehmen. Darauf zu achten ist hierbei, dass die norwegischen Spezien darin aufgeführt und deren Unterscheidungsmerkmale erklärt werden.
Das morgendliche Müsli kann man an fast jedem Schlafplatz durch ein paar gratis gewachsene Beeren aufpeppen. Heidelbeeren gibt es fast überall und mit ein wenig Glück findet man auch wild wachsende kleine Walderdbeeren, Himbeeren sowie die in Nordeuropa sehr häufig vorkommende Moltebeere.
Topos:
HIER gibt’s das Topo von Ramberg
HIER das Topo von Forstranda
HIER das Topo von Kunna
HIER das Topo von Harbak
Weitere Infos zu Norwegen git’s HIER
Die Reiseberichte und Videos der Felskadercrew gibt’s wie immer HIER
Vielen Dank für den sehr hilfreichen Bericht! Leider kann ich nicht auf die Harbak und Kunna Topo zugreifen (404 Not Found).
Hey Robert,
danke für dein Feedback!
Den Link zum Kunna-PDF scheint es nicht mehr zu geben. Ist aber auch schon ein paar Jahre alt. Zu Harbak findest du etwas auf 27crags.com. Beide Gebiete sind eigentlich recht überschaubar und wenn man am Wochenende ankommt, sind oft hilfsbereite Locals vor Ort, die einem alle Blöcke zeigen.
Beste Grüße Alex